Von Mondholz, Mut und Menschlichkeit 

Die Klinik Arlesheim baut. Mit Holz und ohne Chemie. Philipp Schneider, Präsident des Verwaltungsrates spricht über die Herausforderungen eines Neubaus und was er für die Zukunft der Spitallandschaft bedeutet.

Herr Schneider, freuen Sie sich schon auf den Neubau der Klinik und des Heilmittellabor? 

(lacht) Und wie! Ich bin überzeugt, dass wir für die Patient:innen, für die Mitarbeiter:innen, aber auch für die Region ein innovatives, menschenfreundliches, nachhaltiges Spital bauen. Alles nach sehr hohen bauökologischen Massstäben. Unsere ganzheitliche, integrative Medizin wird sich in einem wunderbaren neuen Raum bewegen und darauf freue ich mich sehr. 

Warum hat sich die Klinik für einen Neubau entschieden und nicht die bestehenden Gebäude saniert? 

Wir haben eigentlich schon vor über zehn Jahren beschlossen, dass wir einen Neubau benötigen. Mehrere Analysen durch Fachleute haben ausserdem ergeben, dass die Bausubstanz der bestehenden Gebäude zu schlecht ist. Zunächst haben wir nach anderen Möglichkeiten gesucht, haben z.B. versucht, ein anderes Spital zu übernehmen. Aber das ist dann gescheitert. Also haben wir uns für einen Neubau entschieden.  

Welche Überlegungen spielten dabei noch eine Rolle? 

Niemand weiss, wie das Gesundheitswesen in zehn Jahren aussehen wird. Es braucht Mut, Entscheidungen zu treffen, sich auch auf Ungewissheiten einzulassen. Zunächst heisst es wie bei jedem Bauvorhaben: Finanzen prüfen. Haben wir die finanziellen Möglichkeiten, solch ein Projekt zu stemmen? 

Die Klinik Arlesheim ist kein öffentliches Spital, wir müssen alle Investitionen selber finanzieren. Hinzukommen, wie gesagt, die Überlegungen, wie sich das Gesundheitswesen entwickeln wird. In unserem Falle gehen wir davon aus, dass der Bedarf im stationären Bereich vorläufig so bleibt, wir werden also aktuell keine zusätzlichen Patient:innenzimmer benötigen. Dafür wird der ambulante Bereich wachsen und das haben wir bei der Planung auch berücksichtigt. 

 

Die Philosophie der heilenden Architektur: Das nachhaltige Gebäude ist Teil des ganzheitlichen Behandlungskonzeptes.

Haben Sie bei der Planung auch die Mitarbeiter:innen einbezogen? 

Beim Wettbewerb, den wir damals für die Architekturbüros ausgeschrieben hatten, waren auch Mitarbeitende in der Jury. Und sobald das Projekt stand, gab es eine Begleitgruppe, bei der wir regelmässig vorfühlten. Sie erhielt Informationen zuerst, darunter hochvertrauliche, und gab uns auch zu heiklen Fragen ihr Feedback. Diese Begleitgruppe gibt es übrigens immer noch. 

Ausserdem haben wir sogenannte Nutzergruppen, die jeweils von den Architekt:innen und Planer:innen zu ihren Bedürfnissen befragt werden: Wie soll die Station aussehen? Wie das Labor? Wo müssen Steckdosen hin? 

Ist diese Art, die Mitarbeiter:innen einzubeziehen, üblich im Spitalbau? 

Ich glaube einfach, dass man gut daran tut, sie einzubeziehen, schliesslich sind sie es, die dann dort arbeiten. Ausserdem entspricht es unserer Philosophie. Wir sind grundsätzlich sehr transparent: unsere Projekte werden offen kommuniziert, über Finanzen wird gesprochen. Das ist eben die Philosophie der Klinik Arlesheim. 

«Man tut gut daran, die Mitarbeiter:innen einzubeziehen, schliesslich sind sie es, die dort arbeiten.»

Der Entscheid für den Neubau war gefällt – was stand als nächstes an?  

Zunächst einmal gab es gesetzliche Vorgaben zu beachten. In Arlesheim mussten wir einen Quartierplan erstellen und unseren «Fussabdruck» schon relativ früh festlegen: Gebäudehöhe, Parkanlage, inkl. geschütztes Baumvorkommen, Zufahrt, Parkplätze usw. Der Quartierplan geht dann durch die Gemeindeversammlung und muss von der Gemeinde und dem Kanton genehmigt werden. Erhebt niemand Einsprüche, kann die Detailplanung der Gebäude beginnen. Hierfür hat die Klinik einen öffentlichen Wettbewerb für die Architekturbüros ausgeschrieben. 

Das Siegerprojekt aus dem Wettebwerb zeigte sich im Rahmen des Vorprojektes als zu kostenintensiv: Es konnte nicht umgesetzt werden. Wie haben Sie schliesslich zum aktuellen Entwurf und Ihrem Team gefunden? 

Verwaltungsrat und Klinikleitung haben bei Expert:innen aus den Bereichen Architektur, Holz- und Spitalbau sowie Energietechnik eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Nachdem der Kostenrahmen und die Ansprüche an den Neubau abgeglichen wurden, kamen zehn ausgewählte Architekt:innen und Planer:innen mit uns nach Brunnen, SZ, zu einem Workshop. Wir kannten sie nicht und sie sichgegenseitig auch nicht. Am Schluss hat mit dreien die Chemie gestimmt und wir gründeten zusammen mit BSS Architekten AG (Philipp Betschart), negen graden architectuur (Yaike Dunselman) und der MedPlan Engineering AG (Felix Aries) die ARGE Klinik Arlesheim. 

Sie haben beim Neubau sehr viele Bezugsgruppen, denen Sie gerecht werden müssen: Patient:innen, Mitarbeiter:innen, die Gemeinde – wie schaffen Sie es, alle Bälle in der Luft zu halten? 

Das klingt jetzt vielleicht etwas hochgestochen, aber ich denke, es braucht so etwas wie demütige Gelassenheit. Und sehr viel Beziehungspflege. Wir legen darauf grossen Wert, kommunizieren offen und niederschwellig; gehen Kaffee trinken. Wir besuchen die Gemeinde, die Gemeinde besucht uns und für die Nachbarschaft gibt es immer wieder Informationsveranstaltungen. Wir wollen die Erwartungen und Enttäuschungen der Leute kennen. Ich denke immer: Natürlich gibt es andere Meinungen, oft sind es jedoch Missverständnisse um Bedürfnisse und Erwartungen; zuhören lohnt sich immer, im persönlichen Gespräch klärt sich vieles.  

«Wir legen grossen Wert darauf, offen zu kommunizieren. Wir wollen die Erwartungen und Enttäuschungen der Leute kennen.»

Lassen Sie uns nun konkreter über den Neubau sprechen: Sie setzen auf H4H, Holz for Health. Der Bau ist eine Vollholzkonstruktion. Was ist das Besondere daran  

Meines Wissens, gibt es kein anderes Spital, das so konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Alles ist aus unbehandeltem Holz, wir versuchen wirklich keine Chemie einzusetzen. Nicht bei den Wänden, Decken, Böden, nirgends. Dahinter steht die Philosophie der heilenden Architektur: Wir sehen das Gebäude schon als Teil unseres Behandlungskonzeptes. Der Mensch im Verhältnis zur Natur – das entspricht nicht nur unserer anthroposophisch-medizinischen Herangehensweise, sondern passt auch zu dieser besonderen Bauweise. 

Warum ein Vollholzbau? 

Vollholz, übrigens ein Synonym für Mondholz, darf nur zu einer bestimmten Zeit gefällt und nur natürlich gelagert werden. Das ist eine wichtige Voraussetzung, denn sehr viel Holz wird heute künstlich getrocknet. Aus diesem Grund bleibt oft Restfeuchtigkeit, die zu Rissen führt. Eine Studie der ETH Zürich hat gezeigt, dass natürlich getrocknetes Mondholz widerstandsfähiger, und praktisch pilzresistent ist. Der Neubau besteht aus unbehandeltem Holz, sogar die Fassade. (Hält kurz inne) In zwanzig Jahren haben wir dann vermutlich ein dunkelgraues Spital. 

Natürliche Harmonie: Die unbehandelte Holzfassade der neuen Klinik wird mit der Zeit nachdunkeln.

Ein sehr schöner Gedanke, wie sich die Natur mitentwickelt und abbildet. 

Genau das war für uns wichtig. Wir haben lange überlegt, denn es gab Stimmen, die sich für das Behandeln der Fassade aussprachen. Aber wir sind konsequent und bei der naturbelassenen Version geblieben.  

Und was kostet diese Konsequenz in Schweizer Franken? 

Es sind ja zwei Bauten: Das Heilmittellabor und die neue Klinik. Unser Businessplan sieht insgesamt 70 Millionen für beide vor. Wir müssen das Geld komplett selbst aufbringen, ohne Unterstützung vom Bund oder dem Kanton. Die Finanzierung ist aber bereits durch Darlehen und Kreditverträge gesichert. Für den Mehrwert, den wir durch die teureren Materialien und die nachhaltige Bauweise haben und für spezielle Anliegen wie z.B. unser schöner Park, ein Aufbahrungsraum für Menschen die bei uns sterben und deren Angehörige, ein Raum der Stille, sind wir auf der Suche nach Spenden. 

Welche Wirkung wird die spezielle Bauweise auf andere Spitalbauten haben? 

Ganz ehrlich? Vielleicht ja gar keine. Aber soweit ich weiss, ist dieses konsequente Ausrichten auf heilende Architektur und Nachhaltigkeit schweizweit, überhaupt im deutschsprachigen Raum, bisher einmalig. Ich denke, es ist unsere Kompromisslosigkeit, die wegweisend ist, z.B. das deutliche Nein zur Behandlung der Fassade, oder, dass die Patient:innen ihr Fenster öffnen können, Minergie hin oder her. Dass man seine Werte über Vorgaben und schnelle, billige Möglichkeiten stellt und kreative Lösungen sucht und findet – das wird hoffentlich nachwirken. 

Wie wird der Spitalbetrieb während des Umbaus sichergestellt? 

Wir sind sehr privilegiert, weil das Haus Wegman, also das Gebäude, das ersetzt wird, eins zu eins bestehen bleibt, bis der Neubau fertig ist.  

Das Heilmittellabor steht, man arbeitet am Innenausbau und Anfang 2023 wird gezügelt. Wie ist der Status Quo beim Spitalneubau? 

Wir haben die Baueingabe Anfang Juli 2022 gemacht. Wir sind also wirklich auf den letzten hundert Metern. (Lacht) Das spürt man auch von der Hektik her. 

Wann soll die Klinik in Betrieb genommen werden? 

Wenn alles nach Plan läuft und es keine Einsprachen gibt, arbeiten wir sicher 2026 im neuen Spital. Der Holzbau hat den Vorteil, dass er relativ schnell umgesetzt werden kann.

«Das Haus Wegman bleibt bestehen, bis der Neubau fertig ist.»

Was waren oder sind für Sie als Verwaltungsratspräsident die grössten Herausforderungen? 

Bauen wir die richtige Klinik? Der Verwaltungsrat ist für die Strategieausrichtung zuständig und mit dem Gesundheitssystem, das so stark in Bewegung ist, fragt man sich das natürlich immer. Darum haben wir versucht, so flexibel wie möglich zu planen. 

Heisst konkret? 

Wie schaffen wir genügend Flexibilität und machen trotzdem etwas Schönes – das empfand ich als riesige Herausforderung. Wir haben wenige tragende Wände, sodass wir jederzeit umbauen können. Vielleicht haben wir in zehn Jahren doch wieder mehr stationäre Patient:innen, dann könnte man im ersten Obergeschoss weitere Zimmer einrichten. Oder wir brauchen plötzlich mehr Platz in der Ambulanz.  

Ich möchte eine schuldenfreie Klinik hinterlassen. Schuldenfrei in dem Sinne, dass zu den vorgesehenen Krediten nicht noch zusätzliche Aufwände und Belastungen hinzukommen. Meine Nachfolger sollen sagen: «Hey, das haben die super gemacht und mit den Einnahmen des normalen Klinikbetriebes können wir das auch stemmen.» 

«Der Neubau in drei Worten? Ich wähle vier: Wertschätzend menschlich, innovativ und nachhaltig.»

Hilft es, seine Werte als Leitfaden zu haben, sie als Orientierungshilfe heranzuziehen? 

Ich hoffe, dass es so ist. Und ich glaube an unsere Werte, verteidige sie und versuche, sie zu leben. Letztlich ist es natürlich eine Frage des Geldes. Wir haben in unserer Klinik viele wunderbare Mitarbeitende, einen super Verwaltungsrat und eine grossartige Klinikleitung. Seit mehreren Jahren in derselben Besetzung. Und das wollen wir auch bleiben, bis der Neubau fertig ist. Da ist eine ganz grosse Vertrauensbasis und es gibt zwischen Verwaltungsrat und Klinikleitung keine Geheimnisse. Das ist für mich extrem wichtig und hilft mir sehr. 

Wir haben Sie nach drei Worten gefragt, um den Klinikneubau zu beschreiben. Sie haben vier gewählt: wertschätzend menschlich, innovativ und nachhaltig. 

(lächelt) Das wertschätzend war mir sehr wichtig. Es erweitert das menschlich, innovativ, nachhaltig um eine entscheidende Facette. Wertschätzend allen Menschen gegenüber, aber auch dem Verhältnis Mensch-Natur Respekt zollend. 

Sie sind auf der Suche nach Spenden: Warum sollen wir spenden? 

(Philipp Schneider rückt den Stuhl zurecht, setzt sich aufrecht hin und schmunzelt) 

Hier also meine Liebeserklärung: Sie helfen mit, ein einzigartiges und wertvolles Projekt zu realisieren, das den Menschen in seinem Verhältnis zur Natur und eine ganzheitliche Medizin ins Zentrum stellt. Wir bauen nach dem neusten Stand der Holzbautechnik, der Minergie und der Nachhaltigkeit, erfüllen also alle bauökologischen Erkenntnisse von heute. Und das ganz nach unseren Werten. Die beiden Vollholzgebäude sind Leuchtturm-Projekte für die Anthroposophische Medizin, für die Region und die ganze Schweiz. Leider ist nicht alles über den operativen Betrieb finanzierbar. 

Mit Ihrer Spende unterstützen Sie aber auch eine ganzheitliche und integrierende Medizin, die die Patient:innen bei ihrer Genesung umfassend begleitet, versorgt und behandelt.  Und sollten Sie es je brauchen, werden Ihnen in der Klinik Arlesheim erstklassige Behandlungsmöglichkeiten in einer einmaligen, nachhaltigen und gesunden Infrastruktur zur Verfügung stehen. Mit Ihrer Unterstützung werden Sie ein Teil dieses grossen Vorhabens. 

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schneider. 

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